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Die verzauberte Prinzessin


Es war einmal eine verzauberte Prinzessin, die stotterte. Sie haderte mit sich und der Welt, weil sie immer wieder ins Stocken geriet. Aber was noch viel schlimmer war, was sie fuchsteufelswild werden ließ, was sie tieftraurig machte, was ihr die Schamesröte ins Gesicht trieb, war, dass kein Kraut gewachsen war und auch keine Hexerei, die ihr Sprechübel vertreiben konnte. Dabei hatte sie bei ihrer letzten Reise ins Feenland ein Wundermittel kennengelernt: In der nächtlichen Stille der dunkelsten Stunden zwischen Tag und Nacht, als sie bei einer Heilerin übernachtete, vermochte sie ins Zukunftsland der-späteren-Jahre zu blicken. Ein Wundermittel tauchte in den Nebeln auf, erklang wie ein liebliches Summen, wie geschaffen für sie, das sich zart auf ihre Zunge legte. Am nächsten Morgen begrüßte sie den Tag mit geglätteten Worten, beschwingt und anmutig bewegt. Es war eine wundersame Weise, Ruhe und Fluss ins eigene Sprechen zu bringen, das sich wohlig anfühlte und die Seele labte. Doch zurück in ihrem Schloss wagte sie nicht, die Abgesandten aus fernen Ländern auf diese neue Weise anzusprechen. Sie lächelte höflich, sie nickte keck, aber die Worte blieben weiter in ihrer Kehle stecken. Sie haderte mit sich, wurde fuchsteufelswild und versteckte sich tief in den unterirdischen Katakomben. Irgendwann war ihr das zu blöd. Sie versammelte die Schar ihrer liebsten Zofen und erzählte ihnen von der wundersamen Redeweise, die sie im Feenland gelernt hatte. Alle staunten und hoben den Blick gen Himmel. „Morgen“, sagte dann die Prinzessin, „bei der Eröffnung des Reitturniers, werde ich öffentlich sprechen. Ein Gedicht werde ich vortragen, laut und wundersam, vor allen Rittern und Gräfinnen, und den Preis gewinnen, der mir schon lange zusteht: Das beste Pferd im Stall.“ Da klatschten die Zofen. „Und dann werde ich“, fuhr die Prinzessin fort, „hinaus galoppieren in die weite, weite Welt.“ Die Zofen staunten und ihre Gesichter strahlten. Und tatsächlich: Am nächsten Tag sprach die Prinzessin vor versammelter Mannschaft in ihrer wundersam weichen flüssigen Weise, ein Gedicht von Gedicht. Es tönte wie der sanfte Trab ihres Lieblingspferdes, ein weiches Tupfen der Worte, der Reime. Ein zartes Wiederholen und gleitendes Hüpfen, leicht und wundersam, das den Hof verzauberte. „Was tust du da Prinzessin?“, riefen die Hofdamen. „Bist du noch zu haben?“, riefen die Grafen. Aber sie kicherte nur, schwang sich auf ihr Ross und ritt nun endlich in die weite, weite Welt.


(In diesem Märchen geht es um das Pseudostottern. Und um das Thema Ziele erfolgreich umsetzen. Das geling dann besonders gut, wenn man Verbündete in sein Vorhaben einbezieht. Verbündete gehören zu den besten Mitspielern bei einem Spiel, das man ganz alleine bewältigen muss. Wer mehr darüber wissen will, schaut in meinen nächsten Post „Suppenteller“ in meinem Blog auf www.abenteuerstottern.de)

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