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Hhhmmmm.....



Der Regen rinnt die Scheibe hinunter, die Tropfen klopfen aufs Blech. Windböen drücken gegen das Glas. Ich lasse mein Löffelchen mit extra langem Stiel über der weißen Sahnemasse kreisen und bohre ihn dann, genau im Mittelpunkt des Plastikbechers, ganz langsam in die Tiefe, eine leichte Drehung am Stiel nach rechts, nach links, dann ziehe ich das kühle Metall heraus, setze es an meine Lippen, blicke auf die glänzende Schokomasse in der Löffelkuhle, schließe die Augen. Hhhmmmm…. Ich staune, wie leicht mir inzwischen das unterirdische Abräumen gelingt: erst die Schokomasse ganz herauslösen, dann die Sahneschicht in kleinen Tupfern pur auf der Zunge zergehen lassen. Hhhmmmm…. In allen Großmärkten und kleinen Spätkaufs findest du sie, die billigen Verführer mit Sahnehäubchen, einzeln oder im Viererpack, ohne oder mit Pappverpackung, manche aneinandergeschweißt mit Knackvorrichtung. In den Regalen locken die Becher tausendfach in Augenhöhe, griffbereit. Und auf Riesenpaletten warten die Trostspendern sprungbereit in Warenkellern und Depots. Welch ein Segen! Paradiesische Verheißungen in Variation, mit ein paar bunten Perlchen obendrauf oder Kokoskrümeln, mit Honigglasur oder Beerentinktur. Was willst du mehr? Früher war’s die Badewanne, mit Schaum und Kerzenduft, mit Schwippschwapp-Entchen oder Lavendelöl. Doch das hat Zeit gekostet, und die schrumpeligen Finger haben uns faul gemacht. Da sind die Becher einfach frecher. Sie passen besser fürs Zwischendurch, nur mal kurz am Telefon während der Warteschleife naschen, vor dem Krimi, weil es gleich los geht. Während des Krimis, weil das Blut so grausam floss. Nach dem Krimi, weil das erhofft Happyend ausblieb. Das Sahnehäubchen passt bei jedem Liebeskummer, für jedem Katzenjammer, mit Raspel oder pur, im Solo oder im Viererpack. Und trotz aller Schadstoffe im hellen Schaum und im klebrigen Grund macht uns jedes Becherlein aktiv, vital, behände. Gleich geht’s weiter, die liegengebliebenen Sachen schuften wir nun wie nichts weg, die Maschinerie läuft weiter, hochtourig und effektiv, egal ob es regnet oder schneit. Die Sahnehäubchen sind unsere Lebensretter. 200 Gramm Trostpflaster – ja, ein herrliches Laster. Verdammt praktisch sind die Becher, du kannst dir die Therapeutin oder die Yogastunde sparen und auch die vielen nutzlosen Gespräche über das Elend der Beziehungen und das Leid der Welt. Vielleicht sollte ich mir einen neuen Kühlschrank leisten, direkt neben dem Beratungsstuhl in meiner Praxis. Tür auf, Tür zu, die Löffel glänzen griffbereit, jeder bohrt sich selbst einen Zugang in die Düsternis. Keine Tränen mehr, keine leidvollen Erinnerungen, durchs Helle zum Dunklen, und wieder zurück ins Licht. Ich muss nur aufpassen, dass mir der Nachschub im Kühlschrank nicht ausgeht. Ja, das wäre doch was! Der Regen ist inzwischen der Sonne gewichen. Ein paar letzte Tropfen rinnen die Scheibe herab.

 
 
 

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