
Jedes Wesen küsst auf seine Weise. Abküssen und Abschlecken scheint, glaubt man dem Internet, deutlich zugenommen zu haben. Nicht nur die menschlichen Tiere machen das. Auch die tierischen Tiere. Alle kosen sich. Und weil das so angenehm zu sein scheint, haben die menschlichen Tiere die Kosenamen erfunden. Für ihren Nachwuchs. Für die ganz Kleinen. Das hört sich dann gaaaaanz süß an, „Häääschen“, „Mausi“, wirklich liebreizend, „Reeeehlein“. Und wenn die Kleinen dann groß werden, fangen sich die menschlichen Tiere Partner:innen ein, die bekommen dann auch einen zärtliche Kosenamen. Der ist meist nicht derselbe, der schon beim Fläschchenhalten und Windelnwechseln gezwitschert wurde. Meist ist es ein neues Wortgebilde, „Knutschimäuslein“ oder „Putenperle“, „Cremetörtchen“, „Panterschwänzchen“ oder „Trampeltierchen“. Das tut den Menschen gut. Egal zu welcher Uhrzeit. Wirft jemand z.B. voller Wut die Bürotür hinter sich zu, hetzt zum Einkauf, schleppt volle Tüten nach Hause, wuchtet sie dort auf den Küchentisch, dann kommt es zu dem ersehnten Empfang: Küsschen hier und da, und sonst noch wo, und dann, endlich, das ersehnte „Schnuckibärlein“, oder „Vogelbacke“, es ertönt aus dem Munde des angepaarten Menschentiers. Herzergreifend. Da sage noch einer, wir seien eine verrohte, aggressive Gesellschaft. Fische, die in großen Schwärmen durch die Weltmeere eilen, sollen ja auch gurren können, und Giraffen reiben ihre Hälse aneinander und wispern sich Liebesbezeugungen zu. Kürzlich sollen Wissenschaftler:innen – oder waren es Wissenschaftler? – einem unglaublichen Geheimnis auf die Tonspur gekommen sein. So wie menschliche Tiere tierische Kosenamen bevorzugen, so scheinen tierische Tiere menschenbezogene Sinnschöpfungen als Kosenamen zu nutzen: Panther beispielsweise fauchen „Lahmarsch“, bei Elefanten hat man die Klangfolge „Fettsack“ identifiziert, bei Pottwalen „Leichtgewicht“. Die ethischen Richtlinien zum Tierschutz verbieten es, diesbezüglich intensivere Forschungen anzustellen. Für uns menschlichen Tiere bietet es sich an – zur Verbesserung des Gemeinschaftsgefühls –, alle menschlichen Tiere mit gleichen Kosenamen in Selbsthilfegruppen zu organisieren. Hier wäre aus Gründen der politischen Korrektheit allerdings sicherzustellen, dass zum einen die Pflege des Namenbrauchtums in die Vereinssatzung aufgenommen wird und zum anderen, Möglichkeiten für Gastbesuche fremder Kosenamen- halter:innen eingeräumt werden. Eine ungeklärte Frage, die die Leserinnen und Leser mit- entscheiden sollten, betrifft das Recht stotternder Gruppenmitglieder auf Adhoc-Umtaufung. Ihre Sprechflüssigkeit ist ja bei bestimmten Lauten und Wörtern oft massiv durch Blockaden beeinträchtigt, vor allem zu Gesprächsbeginn und bei der Namensnennung. Das Recht auf Umtaufung (im Sinne eines Nachteilsausgleiches) könnte dann zur Anwendung kommen, wenn der Kosename (egal ob tierischer oder menschlicher Herkunft) überproportional häufig Stotterblockaden verursacht. Stellungnahmen hierzu können schriftlich ab sofort eingereicht werden.
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