Bei meinem letzten Post habe ich von Selbstzweifeln geschrieben und
von dem Wunsch, Grenzen zu überwindest. Alte, hinderliche Gewohnheiten
sollen – verdammt noch mal – baden gehen. Klingt gut. Wenn da nicht der
Schweinehund wäre. Der in unserem Kopf. Der gewinnt oft die inneren
Wortduelle: Heute nicht! Mach’s lieber morgen! Oder: Halt lieber den Mund,
kommt ja nur Stottern raus! Wenn sich der Schweinehund mit solchen
destruktiven Anweisungen meldet, verkrümelt sich der eigene Mut. Dabei weiß
ich selbst ganz genau: Es gibt bessere Ratgeber. Ich könnte mein eigener
Ratgeber sein, mit inneren Sätzen und Aufforderungen, die mir guttun. In der
wissenschaftlichen Literatur findet man hierzu kluge Abhandlungen, und der
Begriff „Selbstinstruktion“ taucht dabei auf. Das meint ein inneres Sprechen,
mit dem wir uns selbst zu einem konkreten Verhalten auffordern. Wenn wir ein
volles Tablett mit Gläsern tragen, meldet sich die innere Stimme: „Schön
langsam!“ Oder wenn es in der Seilbahn plötzlich zu schaukeln beginnt:
„Festhalten!“. Wir reden oft mit uns selbst, um unser Verhalten zu steuern.
Wenn wir in einer Gruppe sitzen und uns über die Streitereien ärgern, die da
gerade laufen, ermahnen wir uns innerlich: „Jetzt bloß nichts sagen! Cool
bleiben!“ Dieses innere Sprechen hilft uns bei der Realisierung unserer
Vorhaben, bei der Regulierung unserer Handlungsweisen. Aber wir steuern
damit nicht nur unser Verhalten, sondern auch unsere Emotionen: Wenn wir
uns bedrückt fühlen, können wir uns beispielsweise an einen schönen Ort
versetzen, uns in Gedanken an einen idyllischen Strand legen und Erinnerungen
und Fantasien an vergangene Ferienerlebnisse aufsteigen lassen. „Bleib noch
ein wenig am Strand!“, können wir zu uns sagen, „hier ist es sooooo schön“.
Und tatsächlich, Sonnenschirme tauchen auf, vielleicht spüren wir die Wärme
der Sonne auf der Haut und den Sand zwischen den Fingern. Imaginationen
entstehen durch Selbstinstruktionen. Wir können es uns mithilfe unseres
inneren Sprechens also gut gehen lassen, uns loben, uns positiv bewerten: „Ja,
das habe ich gut gemacht“, „Doch, ich war richtig mutig“. Die destruktiven
Gedanken vom Schweinehund (sie sind ja in Wirklichkeit unsere eigenen
Gedanken), könnten wir uns abgewöhnen: Wir könnten lernen, das Gejaule
vom Schweinehund („Sei lieber ruhig! Stottern ist peinlich“) durch positive
Selbstinstruktionen zu ersetzen. „Meine Gedanken sind es wert ausgesprochen
zu werden. Stottern darf sein!“. Wir haben die Wahl, uns zum Schweigen
aufzufordern oder uns zum Reden zu aktivieren.
Willst Du Erfolg bei Deiner Arbeit am Stottern erzielen, wirst Du nicht ohne
positive Selbstinstruktionen auskommen: Alle Verhaltensweisen, die Du
erproben möchtest, jede Sprechtechnik, jede Technik der Stottermodifikation,
jede Form des Entspannungstrainings, jede Übung zur Steigerung der
Selbstsicherheit im Alltag erfordert, dass Du Dich zu einer konkreten Handlung
aufforderst: z. B. zum „Pseudostottern“ oder „Blickkontakt“, zum „weichen
Stimmeinsatz“ oder zu einem stärker „Pausen-betonten Reden“. Du denkst
nicht nur an das, was Du tun willst, sondern Du forderst Dich selbst tatsächlich
dazu auf: „Jetzt spreche ich mit Pseudostottern!“ oder „Ich steige jetzt ein ins
Gespräch, laut und deutlich, mit Blickkontakt!“ Du stoppst damit Deine
Vermeidungstendenzen (bzw. die blöden Sprüche vom Schweinehund), die
automatisch auftauchen, wenn Du eine schwierige Sprechsituation ansteuerst.
Positive Selbstinstruktionen sind hervorragende Instrumente, um Vorsicht,
Zögern und Abwarten zu minimieren. Ermutige Dich selbst, nutze die Kraft der
eigenen Wörter, die Deine Zuversicht stärken und neues Selbstvertrauen
aufbauen. Und der Schweinehund? Lass den einfach links liegen!
Wer den eigenen Schweinehund links liegen lässt, blickt zuversichtlicher in seinen Lebensalltag, vermag liebevoller mit sich umzugehen. Du lernst dabei vorallem, dich selbst zu akzeptieren.
Lieber Herr Wendlandt,
ich habe alle drei Texte gelesen, mehr als einmal. Danke! Ich werde zum Nachdenken angeregt und fühle mich ermutigt und inspiriert. Und komme ins Gespräch mit meinem Schweinehund, der manchmal noch laut brüllt und sagt "Nein, nicht reden! Es wird doch nur wieder Stottern und Du stehts hilflos kämpfend vor all den Leuten! Finger weg! Sei still!" Das fiese kleine Tier. Tut so als würde es einen beschützen und möchte so gerne "Siehste, ich habs doch gesagt..." sagen, wenn man wieder mal trotz alledem gestottert hat. Er schnurrt zufrieden, wenn er recht hatte mit seiner Warnung. Aber die kleinen Selbstinstruktionen lassen mich mutiger Zack in eine Situation springen. "Pseudostottern jetzt!" und es klappt und ich habe es…